Nüchterntraining

Nüchterntrainings versprechen eine schnellere Steigerung des Fettstoffwechsels, was in einer höheren Leistungsfähigkeit resultiert. Aber Vorsicht: Bei falschem Einsatz warnt die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Katrin Stücher von iQ athletik vor Risiken – sowohl für die Gesundheit als auch für die sportliche Performance.

Nüchtertraining im Sport
Ein Fettstoffwechseltraining muss nicht immer nüchtern am Morgen sein

Nüchtertraining nüchtern betrachtet

Das Thema Nüchterntraining ist derzeit sehr präsent. Grund hierfür ist vor allem, dass viele Menschen denken, dass dies die beste Methode zur Steigerung des Fettstoffwechsels ist. Der Trend hält seit ca. 2 Jahren an und begann zeitgleich mit dem Trend sich „Low-Carb“, also sich mit wenig Kohlenhydraten zu ernähren. Ich denke, der Trend ist recht stabil in den Köpfen der Sportler verankert.

 

Doch zuallererst sollte der Begriff Nüchterntraining erklärt werden, da es unterschiedliche Methoden zur Verbesserung des Fettstoffwechsels gibt. Das Nüchterntraining findet, wie der Name bereits verrät, im nüchternen Zustand statt. Es bedeutet also, dass der Sportler/die Sportlerin nach dem Aufstehen maximal etwas Wasser trinkt, jedoch keine Nahrungsaufnahme durchführt und anschließend trainiert.

Was beim Nüchterntraining im Körper passiert

Im Körper befinden sich zwei Speicher für Glykogen, die Speicherform der Kohlenhydrate: in der Leber und in der Muskulatur. Über Nacht sinkt der Leberglykogenspiegel ab. Das Leberglykogen dient der Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels und damit auch der Versorgung des Gehirns, der roten Blutkörperchen und der Nervenzellen mit Glukose. Wer also im nüchternen Zustand z.B. Rad fährt oder ein Lauftraining absolviert, trainiert mit einem nahezu leeren Leberglykogenspeicher. Um dennoch die Versorgung des Gehirns, der Blutkörperchen und des Nervensystems zu gewährleisten, kann der Körper in dieser „Notsituation“ Ketonkörper abbauen und aus diesen die nötige Energie ziehen. 

Diese Situation sollte jedoch nicht zu lange andauern, da sie den Körper stark belastet und weniger effizient Energie liefert. Bei einer nüchternen Trainingseinheit liegt der Blutzuckerspiegel sehr tief. Dies kann zu einer verschlechterten Konzentrationsfähigkeit führen. Daher sollte die Rad- oder Laufstrecke am Morgen gut ausgewählt werden und Stolperfallen wie Wurzeln o.ä. gemieden werden. Auch beim Üben im Kraftraum mit komplexen Langhantelübungen wie Reißen und Stoßen ist eine besondere Aufmerksamkeit geboten. 

Was beim Nüchterntraining beachtet werden sollte

Ein Nüchterntraining sollte maximal 90 Minuten andauern. Wer dies länger durchführt, bringt den Körper in einen starken Unterzucker. Erste Anzeichen hierfür sind Schwitzen, Herzrasen, Blässe um Mund und Nase, Heißhunger, Konzentrationsstörungen, weite Pupillen und Zittern. Verstärkt sich die Symptomatik aufgrund des Energiemangels im Gehirn folgen Kopfschmerzen, Sprach- und Sehstörungen. Bezüglich der Leistungssteigerung birgt ein Nüchterntraining die Gefahr, dass der Sportler sich zwar hinsichtlich der Fettoxidationsrate und des Fettstoffwechsels verbessert, intensive Einheiten jedoch vernachlässigt werden, da ein Training mit Intensitäten im mittleren GA1-Bereich bereits nicht mehr im nüchternen Zustand durchgeführt werden sollten.

Fettstoffwechseltraining: Man muss nicht immer nüchtern sein

Oftmals werden die Begrifflichkeiten beim Thema Fettstoffwechseltraining vermischt. Ein Nüchterntraining ist das nüchterne Training am Morgen. Dies ist jedoch nur eine mögliche Trainingsmethode zur Verbesserung des Fettstoffwechsels. Der Fettstoffwechsel kann wiederum auch im nicht nüchternen Zustand trainiert werden. Entscheidend hierbei ist, dass die letzten 1-2 Stunden vor dem Training keine Kohlenhydrate aufgenommen wurden. Wenn danach ein Training im Bereich 60-70% der maximalen Sauerstoffaufnahme durchgeführt wird, kann der Fettstoffwechsel optimal verbessert werden.

Interessanterweise gibt es Studien, die gezeigt haben, dass eine Kohlenhydrat-Aufnahme während des Trainings die Fettoxidationsrate nicht beeinflusst, und somit darf bei langen Trainingseinheiten - zur Verbesserung des Fettstoffwechsels - ruhig auch etwas Kohlenhydratpulver in der Trinkflasche sein.

Empfehlungen für die Trainingspraxis

Ein Fettstoffwechseltraining muss nicht immer nüchtern am Morgen sein. Ich empfehle 80% des wöchentlichen Trainingsumfangs im Grundlagenbereich bzw. GA1 durchzuführen und 20% intensive Einheiten einzubauen. Wie zuvor erwähnt, kann man grob sagen, dass mit jeder Verbesserung des Fettstoffwechsels, sich der Kohlenhydratstoffwechsel verschlechtert. 

Daher ist es wichtig keine Stoffwechsellage im Training auszusparen und eine gesunde Mischung zu finden, die der Körper orthopädisch und muskulär verkraftet. Je nach wöchentlichem Trainingsumfang sollten Nüchterntrainings nicht häufiger als 1-2 mal pro Woche durchgeführt werden. Das bedeutet, die weiteren Trainingseinheiten im Grundlagenbereich bzw. GA1 sollten mit morgendlich aufgefüllten Leberglykogenspeichern stattfinden.