Zum Trainieren der Muskelkraft kann auch der eigene Körper als „Sportgerät“ eingesetzt werden. Hierbei wird das eigene Körpergewicht bzw. die daraus resultierende Erdanziehungskraft als Übungswiderstand genutzt. Auf Hilfsmittel wie Hanteln und Kraftgeräte wird dabei verzichtet. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht werden auch als Eigengewichtsübungen bezeichnet.
Oftmals wird der englische Begriff verwendet: Bodyweight Exercise oder abgekürzt BWE. Bekannt ist auch das Trainingsprogramm Calisthenics, das auf Körpergewichtsübungen basiert. Das einzige „Eisen“, das hierbei eingesetzt wird, ist die Stange, an der man hängt, zieht oder drückt.
Typische Übungen für ein Trainieren mit dem eigenen Körpergewicht sind z. B. Liegestütz, Klimmzüge, Kniebeugen ohne Zusatzlast, Dips, Klappmesser oder Beinheben im Hang. Beim Ausführen dieser Übungen fehlen Abstützungen und Führungshilfen. Der ganze Körper muss muskulär stabilisiert werden. Neben Muskelkraft sind dabei vor allem koordinative Fähigkeiten gefordert.
Bei Eigengewichtsübungen werden meist viele Muskelgruppen gleichzeitig beansprucht und ganze Bewegungsabläufe trainiert. Diese Form des Trainings unterstützt die Effizienz von sportartspezifischen und alltäglichen Bewegungen. Eigengewichtsübungen sind daher effektiv und leistungswirksam, besonders gegenüber einem Trainieren an Kraftgeräten, bei dem Muskeln meist nur isoliert aktiviert werden.
Ein großer Vorteil in der Praxis zeigt sich mit Blick auf das benötigte Trainingsequipment: Eigengewichtsübungen brauchen nur den eigenen Körper. Damit sind sie nahezu überall und kostenlos durchzuführen und eignen sich besonders für Personen, die kein Fitnessstudio besuchen können oder wollen.
Das Repertoire an Eigengewichtsübungen lässt sich mit wenig Ausrüstung erheblich und effektiv erweitern, ohne dass dafür ein Fitness- oder Kraftraum besucht werden muss. Möglichkeiten zum Klimmziehen bieten z. B. robuste Wäschestangen, Türrahmen oder Klettergerüste auf Spielplätzen (Achtung: Beim Einsatz solcher „Reckstangen“ unbedingt auf die Stabilität und Tragkraft achten!).
Eine effektive Erweiterung für das Trainieren mit dem eigenen Körpergewicht sind Ringe, wie sie von Turnern schon seit sehr langer Zeit genutzt werden. Mithilfe zweier verstellbarer Gurte lassen sie sich an jede Art von „Reckstange“ montieren und fast beliebig in der Höhe einstellen. Hierdurch werden vielfältige Übungsausführungen ermöglicht, z. B. Barren- oder Liegestütz in den Ringen sowie Klimmzüge mit Bodenkontakt im Schräghang.
Der Einsatz von Ringen ist gleichermaßen einfach wie komplex. Die freischwingenden Ringe schaffen eine instabile Übungssituation; diese stellt erhöhte Anforderungen an Muskeln und Koordination und schafft dadurch die Voraussetzung zusätzliche Trainingsreize zu setzen. Turnringe sind ein effektives Trainingsgerät, das vielerorts einsetzbar ist und sogar ins Reisegepäck passt. Eine Alternative zu Turnringen sind Schlingentrainer, wie sie heute von den verschiedensten Herstellern angeboten werden.
» Training mit dem Körpergewicht beansprucht viele Muskeln gleichzeitig und kann nahezu überall durchgeführt werden. ABER: Die Trainingsbelastung kann nur unzureichend angepasst werden. Mal ist der eigene Körper zu leicht und mal zu schwer für eine Übung. Besonders besser trainierte Sportlerinnen und Sportler müssen zusätzliche Lasten (z.B. Langhantel mit Scheibengewichten) einsetzen, um Anpassungen im Sinne eines Krafttrainings zu erzielen. «
Andreas Wagner M.A. (mehr erfahren),
Mitbegründer von iQ athletik, Sportwissenschaftler und Mitautor des Buches Krafttraining im Radsport (mehr erfahren)
Probleme zeigen sich bei Eigengewichtsübungen besonders bei einem Blick auf das Steuern der Belastung. Je nach Körpergewicht und Leistungszustand können einzelne Übungen nicht ausgeführt werden. Der Widerstand ist zu groß, besonders für Trainingsanfänger. Ein typisches Beispiel stellt das Klimmziehen dar: Trainingsanfänger schaffen meist nur sehr wenige oder überhaupt keinen Klimmzug. Ein Erleichtern der Übung ist hierbei durch den zuvor angesprochenen Einsatz von Ringen und dem Ausführen von Klimmzügen im Schräghang möglich; hierbei haben die Füße/Fersen dann Bodenkontakt und tragen einen Teil des Körpergewichtes.
Für Leistungsstärkere hingegen bietet das eigene Körpergewicht zu wenig Widerstand. Ein Erschweren der Übungen ist zwar durch ein Abwandeln der Bewegungsausführung – z. B. einarmiger Klimmzug oder einbeinige Kniebeuge – möglich, der Widerstand bzw. der Schwierigkeitsgrad steigt hierbei allerdings sprunghaft. Ein etwas feineres Dosieren des Widerstandes ermöglicht das Einsetzen von Gewichtswesten und Manschettengewichten. Je nach Übung ist es auch möglich, Zusatzlasten an der Taille zu befestigen – z. B. mithilfe eines Dipgürtels. Hierdurch kann z. B. die Intensität beim Klimmziehen oder beim Ausführen von Dips (Barrenstütz) gesteigert werden.
Für gut trainierte Sportlerinnen und Sportler kann ausreichend Widerstand nur mit dem Einsatz von schweren Zusatzgewichten – besonders in Form der Langhantel mit Scheibengewichten – realisiert werden.
Denken wir hierbei nur einmal an die leistungsfähige Muskulatur der unteren Extremitäten und Athletinnen wie Heike Henkel, der Hochsprung-Olympiasiegerin von 1992. Die Athletin bewältigte bei einem Körpergewicht von rund 60 kg über 200 kg Hantellast bei der Parallelkniebeuge (Killing 2003). Die deutsche Bahnradfahrerin Miriam Welte schaffte in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung auf die Olympischen Spiele in Rio sieben Tiefkniebeugen mit 110,5 kg und eine Wiederholung mit 122,5 kg (Zawieja & Thomas 2016). Der ehemalige schottische Bahnradsportler und vielfache Olympiasieger Sir Chris Hoy konnte 5 Wiederholungen mit 631 kg in der Beinpresse stemmen (Mujika et al. 2016).
Hierbei wird schnell deutlich, dass mit dem eigenen Körpergewicht für leistungsfähigere Sportlerinnen und Sportler nicht ausreichend Widerstand realisiert werden kann. Und wenn die Zielmuskulatur nicht intensiv genug beansprucht wird, bleiben physiologische Anpassungen im Sinne eines Krafttrainings aus (vgl. Wagner & Mühlenhoff 2017). Ausreichend hohe Intensitäten sind bei Frauen sogar besonders wichtig, um einen Trainingserfolg zu erzielen (mehr erfahren).
PRO
CONTRA
Der Text ist ein leicht modifizierter Auszug aus dem Buch "Krafttraining im Radsport. Methoden und Übungen zur Leistungssteigerung und Prävention". Geschrieben von den Gründern von iQ athletik: Sebastian Mühlenhoff (mehr erfahren) und Andreas Wagner (mehr erfahren); erschienen bei Elsevier im Urban & Fischer Verlag.
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Quellen:
Killing, W. (2003). Kniebeugen in allen Variationen. Leichtathletiktraining, 14 (9/10), 49–55.
Mujika I., Rønnestad BR, Martin DT. (2016). Effects of Increased Muscle Strength and Muscle Mass on Endurance-Cycling Performance. International Journal of Sports Physiology and Performance. 2016 11(3), 283-289.
Wagner A. & Mühlenhoff S. (2017) Krafttraining im Radsport. Methoden und Übungen zur Leistungssteigerung und Prävention (2. Auflage). München: Elsevier im Urban & Fischer Verlag (mehr über das Buch erfahren)
Zawieja, M. & Thomas C. (2016). Langhantelathletik – NEWS. Digitale Ausausgabe, August, S. 9.
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